Ich fotografiere ja sehr gern und viel.
Dabei musste ich allerdings feststellen, dass ich dadurch oft in die Beobachterrolle komme und nicht mehr richtig genießen kann, will sagen, ich bin nicht richtig in der Situation mittendrin, sondern stehe gewissermaßen daneben.
Wenn ich an einem wunderschönen Frühlingstag – so wie heute – spazieren gehe, dann gucke ich mir die Landschaft mit der „Fotografierbrille“ an. Wo ist ein schönes Motiv? Von welcher Perspektive aus könnte (oder müsste?) ich es fotografieren, damit es gut zur Geltung kommt.
Bei all dem geht die Unbeschwertheit, das pure Genießen verloren.
Heute Mittag hatte ich den ungeheuren Luxus, meine Mittagspause im Garten einer Freundin auf der Hollywoodschaukel verbringen zu dürfen. Der Garten ist total schön, voller Blüten und Farben. Mein erster Impuls war: Da mache ich gleich mal ein paar Bilder. Aber ich hatte ja nur eine halbe Stunde Zeit und die wäre von der Zeit auf der Hollywoodschaukel abgegangen. Also habe ich es nicht getan – was mir schwer genug gefallen ist.
Ich habe mich einfach auf die Schaukel gelegt und die Wärme der Sonne, das Zwitschern der Vögel und die laue Luft genossen. Ohne es festzuhalten.
Manche Dinge kann man nicht beobachten und wenn man es versucht, „funktionieren“ sie nicht. Zum Beispiel Küssen oder Sex. Man muss sich hingeben, fallen lassen und ein Stück die Kontrolle aufgeben. So ist echtes Genießen möglich.
Als ich auf der Schaukel lag, habe ich mir bewusst gemacht, dass ich jetzt einfach „da“ sein darf. Dass ich nichts tun muss. Dass Gott mich sieht und anlächelt.
Und innerlich habe ich gesagt „Hier bin ich!“.
Das wäre übrigens – falls ich so etwas jemals tun sollte – ein Tattoo, dass ich mir stechen lassen würde:
הנה אני
Lesen kann ich das nicht, ich kann leider kein hebräisch. Es heißt: HINENI – Hier bin ich!
Ich muss die Beobachterposition verlassen und mich ganz auf eine Sache oder Person einlassen, um echt genießen zu können.
Und so gibt es heute auch keine Bilder – außer des Titelbildes von diesem Post.
Seit ich fotografiere – schon lange nicht mehr so intensiv, wie früher – nehme ich die Natur anders wahr. Bei mir ist es anders, als bei dir. Zwar bin ich dabei mit der „Fotografierbrille“ zu schauen. Wenn ich das nicht täte, würde alles an mir vorbei rauschen. Ich bin eigentlich weniger der Naturmensch. So unterschiedlich sind wir und machen doch schöne Bilder!
Für mich ist es eine Herausforderung, das Handy mal zu Hause zu lassen und nicht fotografieren zu können. Dann denke ich, ich verpasse etwas, wenn ich es nicht festhalten kann. So als wenn ich es nicht erlebt hätte, wenn ich es nicht dokumentiert habe. Verstehst du, was ich meine?
Und da tut es mir gut, manchmal eben „pur“ unterwegs zu sein.
Mir ist bei einem Urlaub in Syrien (das war eine Studienreise 2006) am 2. Tag der Fotoapparat kaputt gegangen. Das hat mich natürlich zuerst sehr geärgert. Aber dann habe ich gedacht: Gut, jetzt kannst du eben einfach „nur“ genießen. Und irgendwie war ich unbeschwerter, weil ich mich nicht darum kümmern musste, Bilder zu machen.
Ich habe dann von jemand anders digitale Fotos bekommen. Damals hatte ich noch eine analoge Kamera.
Hineni – ein wunderschön klingendes und in Begegnungen und Beziehungen nicht wegzudenkendes Wort!
Man kann es auch in einem Wort schreiben הנני. allerdings entfällt dann der schöne Buchstabe Alef א , der meines Erachtens bedeutend ist.
liebe Grüsse Brig
Wow, du kannst hebräisch! Mir wäre das mit dem alef gar nicht aufgefallen, ich habe es einfach aus dem translator kopiert.
Welchen Unterschied macht dieser Buchstabe?