Das Gebet des Daheimgebliebenen

verlorene-sohn_rembrandtOft zitiert und viel strapaziert wird das Gleichnis vom Verlorenen Sohn aus Lukas Kapitel 15. Heute steht die reuevolle Bitte des heimkehrenden Sohnes in den Losungen.

Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.
Lukas 15, 21 (LUT)

Wenn ich dieses Gleichnis lese, sehe ich mich meist als den daheimgebliebenen Sohn. Ich kann keine „Sünder-Karriere“ vorweisen, bin christlich erzogen und war meistens brav und angepasst. Manchmal beneide ich sogar die Menschen, die von radikalen Veränderungen erzählen können, nachdem sie Christ geworden sind. Bei mir hat sich – äußerlich betrachtet – nicht viel verändert.

Trotzdem, der ältere Bruder des „verlorenen Sohnes“ ist genauso verloren, denn er hat genauso an der Liebe des Vaters vorbeigelebt. In der Übersetzung „Hoffnung für alle“ trägt der Abschnitt die Überschrift: „Das Gleichnis von den zwei Söhnen“.

Schade, dass der Text an der Stelle endet, wo der Vater den wütenden Bruder einlädt, mit zu feiern.

Ich habe mal überlegt, wie es sich anhören würde, wenn es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen wäre und er gemerkt hätte, welchem Irrtum er all die Jahre erlegen ist. Wenn er erkannt hätte, wie groß die Liebe des Vaters auch zu ihm ist:

Vielleicht hätte er etwa so gebetet:

„Vater, ich habe gesündigt vor dem Himmel und vor dir. Ich habe immer gedacht, du wärst ein hartherziger Mann, für den ich nur schuften muss. Ich habe nicht gemerkt, wie groß deine Liebe zu mir ist. Nie habe ich mich getraut, dich um etwas zu bitten, weil ich dachte, du würdest es mir sowieso nicht geben.“

Sicher hätte ihn der Vater auch nicht ausreden lassen. (Der heimgekommene Sohn hat auch nur den ersten Satz seines zurechtgelegten Gebetes aussprechen können.) Und dann wäre die Party so richtig losgegangen.

Ich habe noch ein Zitat gefunden, dass das sehr schön ausdrückt:

Der Vater hat ein brennendes Herz für diejenigen seiner Kinder, die aus lauter Gewohnheit ihre Freude an ihm verloren haben.
Uwe Wendel

2 Kommentare

  1. Ja, ich kenne dieses Gefühl auch sehr gut. Immer war ich die „gute“ Tochter und meine Brüder wurden immer und immer wieder mit offenen Armen aufgenommen. Ich fand es so manches-mal ungerecht. Heute weis ich, sie haben in den Zeiten in denen sie ausbrachen viel Leid erlebt. Ich habe aber immer meine Eltern gehabt und konnte mich auf sie verlassen. Auch wenn es manchmal nicht leicht war, das Zusammenleben. Ich brauchte nie Angst haben das sie mich nicht lieben.
    Danke für deinen Beitrag und Gruß von Ariane aus Belzig

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