An meinen Kater

Der folgende Text ist einer derer, die ich für das Kulturprogramm zur Jahrestagung des BPE geschrieben habe.

Warnung: der ist lang!

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An meinen Kater

Du kamst zu mir, sehr plötzlich und sehr unerwartet.

Dein Frauchen hatte einen schweren Verkehrsunfall gehabt und von jetzt auf gleich mussten 6 Katzen untergebracht werden. Ich bekam die Anfrage, ob ich eine davon nehmen würde – dich.

Ich kannte dich vorher nicht, wusste nicht mal deinen Namen. Trotzdem sagte ich Ja. Ich hatte mich vorher schon mit dem Gedanken getragen, mir ein Haustier zuzulegen, aber dass es so schnell kommen würde, dachte ich nicht.

Sie brachten dich in der Box, – Toilette und Streu dazu. Du entstiegst dem Transportbehältnis. Hoch erhobenen Hauptes und mit erhobenem Schwanz stolziertes du in meine Wohnung und wusstest sofort: Hier bin ich zu Hause! Du fingst gleich an, in der Katzenstreu zu scharren und wusstest, was du dort zu tun hast.

Du warst abgemagert, hattest Eiter in den Augen, hattest Flöhe und Würmer.

Dein Frauchen hatte das mit den 6 Katzen wohl doch nicht so gut im Griff gehabt. So warst du von Anfang an auch ängstlich und bist es bis heute.

So wurde ich Katzenmama – es war eine Sturzgeburt.

Du warst ein halbjähriger Kater, ungestüm und voller Tatendrang. Daran änderte auch deine Entmannung nichts, die kurz danach durchgeführt wurde. Ich konnte dir wohl nicht immer gerecht werden. Es kostete viele Schrammen an meiner Tapete, an meinen Armen und Beinen, Löcher im T-Shirt. Ich konnte dich eben auch nur in meiner Wohnung halten. Etwas anderes kanntest du auch nicht. Ich wohne in der 4. Etage in einer Neubauwohnung, da geht das nicht anders.

Ich lernte, mit dir zu spielen, was dich Spaß macht und dich herausfordert. Und ich merkte selber, dass mir das Spaß macht. Spielen – das hatte ich bisher wohl viel zu wenig getan. Manchmal konnte ich mich dann vor Lachen gar nicht mehr halten. Du bist einfach zu goldig!

Und du bist wahnsinnig sportlich! Auf den Tisch und von dort aus auf die Kühlkombi oder vom Sofa aufs Bücherregal – schaffst du!

Erst hieß es ja: Christiane, kannst du eine Katze nehmen, bis zum Wochenende… Aber es war da schon passiert, dass ich mich in dich verliebt habe. Aber irgendwann hatte ich wirklich eine richtige Krise mit dir und deiner Pubertät – ja, auch Katzen haben sowas – dass ich dachte, ich muss dich abgeben. Ich halte das nicht mehr aus!

Ich hatte liebe Menschen gefragt, ob sie dich nehmen würden und sie hatten zugesagt. Ich hatte alles schon geplant. Wie ich es anstellen würde mit dem Abtransport, ohne dass du Verdacht schöpfst – als ob so was geht.

Aber am Abend vorher habe ich so geheult, dass ich abgesagt habe. Ich konnte dich nicht weggeben. Und dann habe ich dich sozusagen noch mal genommen, mit vollem Ja in dem Bewusstsein um alles, was zu dir gehört. Brutto sozusagen.

Hier musste ich mal kurz Pause machen beim Schreiben…

Ach, Entschuldigung – ich habe unsere Kuschelzeit vergessen, ja warte, ich klappe schnell den Laptop zu und breite deine Decke auf meinen Schoß.

Komm, mein Kleener, mach dir’s bequem.

~~~ 10 min später ~~~

Wir hatten gerade ein paar unserer schönsten, innigsten Momente. Ich wollte sie filmen, aber das ist schwierig bis unmöglich. Ungestörte Zweisamkeit schließt Beobachtung aus. Sobald ich das Handy auf dich richte, bist du abgelenkt. Hingabe und Beobachtung dabei – entweder, wenn man sich selbst dabei beobachtet oder beobachtet wird – schließen einander aus. – Ist wohl auch bei Menschen so.

Überhaupt danke, dass du mich immer mal daran erinnerst, eine Pause zu machen oder die Tätigkeit zu wechseln. Dank dir kann ich nicht den ganzen Tag am Laptop sitzen. Soll ja auch nicht gut sein.

Ja, unsere Kuschelzeit am Morgen. Das genießt du und ich auch. Du streckst dich aus, alle viere von dir und lässt dich am Bauch kraulen. Dabei schnurrst du mit Wohlbehagen, was das Zeug hält.

Hingabe, Vertrauen, Geborgenheit, Leben im Jetzt und Hier – das kann ich von dir lernen.

Irgendwann wollte ich weitermachen. Normalerweise lass ich dir die Zeit, bis du ausgekuschelt hast, aber heute habe ich ein bisschen Druck, muss noch einiges schaffen für das Kulturprogramm, weißt du.

So habe ich dir das Laptop-Kabel vor die Nase gehalten und damit ließest du dich ködern. Überhaupt soll es ja besser ein, eine Alternative zu bieten als etwas zu verbieten. Ist bei Kindern auch so. Manche Eltern wissen das nicht, das ist oft ein Trauerspiel mit anzusehen.

Ich habe öfter schon gedacht, dass ich dir Unrecht tue, weil du nur mich zur Gesellschaft hast. Viele sagen, man soll eine Katze nicht allein halten, vor allem in der Wohnung nicht. Mag sein, aber ich bin mir nicht sicher, ob du eine zweite Katze akzeptieren würdest, denn du bist sehr dominant, aber zugleich auch ängstlich.

Aber du hast dein Revier ins Treppenhaus ausgedehnt. Irgendeine Urlaubsvertretung hat mal damit angefangen, mit dir draußen, also außerhalb der Wohnung zu spielen und seitdem forderst du es ein. Du gehst sogar bis in den Keller – 5 Stockwerke tiefer. Anfangs bin ich mitgekommen, weil ich dachte, du musst du wieder mit hochkommen. Etwas schwierig, dich von dort weg zu bekommen, denn es war zu interessant: Ganz andere Gerüche, Sachen, die da rumstehen. Ich habe versucht, dich wieder hoch zu locken: mit Leckerli, war mühsam. Mit der Box, da wolltest du nicht rein. Hab dich getragen, aber du bist schwer! 5 kg mal 5 Etagen macht 25 kg!! Und dann wehrst du dich ja auch, willst dich aus meinem Griff befreien und ich muss so ein Zwischending zwischen festhalten und nicht wehtun finden und mein T-Shirt soll auch nicht dabei draufgehen.

Ein oder zweimal habe ich dich Etage für Etage mit Leckerli wieder hochgeleitet, wie man mit kleinen Kindern spazierensteht. Dauert ewig. Dann habe ich es gelassen. Hab darauf vertraut, dass du wieder kommst. Du willst doch gar nicht von mir weg. Weißt doch, wo du Futter und mehr als das bekommst.

Wenn du jetzt deine abendliche Kellerinspektion machst, dann lass ich dich raus und nach ner Weile flöte ich mit meiner allerliebsten Stimme: „Gilbert“ und knistere mit der Leckerlitüte, dann kommst du anspaziert.

Achso, ich habe den anderen noch gar nicht erzählt, dass du Gilbert heißt. Nun wissen sie es. Bist eben ein Kater von Welt. Maine Coone der Herr Papa, deine Mama eine Hauskatze.

Seit kurzem hast du eine Freundin: Heidi von gegenüber. Leider funktioniert das nicht so richtig. Ihr trefft euch manchmal, wenn Heidi auch Treppenhausausgang hat. Aber die Dame muss wohl auch nen kleinen Schaden haben. Sie faucht und schlägt. Und dann ziehst du den Schwanz ein, duckst dich und suchst das Weite. Hey, du bist ein Mann – na ja, nicht mehr ganz. Aber warum verteidigst du nicht dein Revier? Warum schlägst du nicht zurück, wenn du angegriffen wirst?

Und einmal mehr sehe ich, dass wir uns auch ein bisschen ähnlich sind: Ich ziehe auch den Schwanz ein, wenn jemand mir gegenüber den großen Mann markiert. Ich kann mich nicht gut verteidigen – noch nicht. Bin am Lernen.

Es gäbe noch viel zu erzählen, aber ich glaube, dann hören die nicht mehr zu.

Dass du mit in meinem Bett schläfst und mich morgens weckst, manchmal liebevoll, manchmal auch nicht, manchmal eher, als mir lieb ist. Dass du Kind- und Partnerersatz bist – in meiner jetzigen Lebenssituation. Dass du mein Klavierspiel magst, aber auch genau merkst, wann ich damit fertig bin und dann wieder Zeit für dich habe.

Danke fürs Lesen bis hierher.

Jetzt dürft ihr euch noch zurücklehnen und Mister (so nenne ich ihn manchmal heimlich, denn mir hat jemand gesagt, ich hätte bei ihm Wohnrecht) in voller Länge, Breite und Schönheit bewundern.

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